Ankunft

Häftlinge und Gefangene der Emslandlager

Der sozialdemokratische Arbeiter

Liedblatt des „Moorsoldatenlieds“ (1933). Gestaltung: Hanns Kralik (AK DIZ Emslandlager e.V.)

„Eines Tages wurde (in der Strafanstalt Anrath bei Krefeld, d. Vf.) ein Transport nach dem Konzentrationslager Papenburg (gemeint ist Börgermoor, d. Vf.) zusammengestellt. Zwei Tage vor unserer Abfahrt wurde uns mitgeteilt, daß wir drei Tage lang kein Mittagessen erhalten würden, weil … die Kommunisten in Berlin eine neugepflanzte Hindenburgeiche umgehauen hätten! Zwei Tage später, um 6 Uhr früh, hieß es antreten. Wir fuhren im Zug über Krefeld, Duisburg, Ruhrort, Oberhausen, Rheine nach Börgermoor. Auf jeder größeren Station kamen neue Gefangene hinzu. Den ganzen Tag bekamen wir nichts zu essen. Endlich, nach zwölf Stunden ermüdender Bahnfahrt, kamen wir in Dörpen an. Dort hörten wir, daß unser 564 Gefangene waren. Bis dahin waren wir noch nicht mißhandelt worden, von nun an aber sollte es zur Regel werden. Kaum ging die Tür des Abteils auf, schon fing das Schlagen an.“

Anonymus, Als sozialdemokratischer Arbeiter im Konzentrationslager Papenburg, Moskau 1935, S. 9.

Die Quelle

Der Verfasser

Das Lager: Erste Eindrücke

„Wir langten an. (…) Es wurde soviel drauflosgeschlagen, daß man das eigene Wort nicht mehr verstehen konnte. (…) Mit zentimeterdicken Latten wurde er (der ‚Arbeiter S. aus M.‘, d. Vf.) bis zur Bewußtlosigkeit geprügelt. (…) Im Lager selbst standen zehn Baracken. Jede war etwa fünfzig Meter lang und zwölf breit und in drei Räume eingeteilt: für den Tagesaufenthalt, zum Schlafen und zum Waschen. In jede Baracke wurden hundert Mann einquartiert. Es war eng wie in einem Hühnerstall. Abends zehn Uhr ins Bett. Bett, Bettücher und Decke, alles feucht. Kein Licht in der Baracke. Jeder quälte sich mit seinen eigenen Gedanken (…).“

Anonymus, Als sozialdemokratischer Arbeiter im Konzentrationslager Papenburg, Moskau 1935, S. 11f.

Brief von Eugen Eggerath an seine Frau Mathilde, KZ Börgermoor, 2.8.1933 (Eggerath 2010: 107)

„Müde ist man von all dem vielen Gesehenen und vom Tragen des Gepäcks. Trotzdem, mit Singen wurde der Weg, der unendlich schien, verkürzt. Endlich, nach ca 4stündigen Marsch sahen wir einige neue Baracken in der Ferne. Aber die letzten Kilometer machten die steifen Glieder schwer wie Blei. Mit einem Heißhunger fielen wir über den gereichten Kaffee her, das erste Naß seit unserem Abmarsch. Nach der Durchsuchung auf Rauchwaren wies man uns saubere einladende weiß überzogene Strohsäcke zu.“

Eugen Eggerath an seine Frau Mathilde, 2. August 1933, in: Eggerath 2010, 106-108, hier S. 106.

„Obwohl es mir heute unendlich schwer fallen würde, körperliche Arbeit zu verrichten (mir schmerzen von dem gestrigen Gewaltmarsch alle Glieder), glaube ich, mich wohler wie in Anrath fühlen zu können. (…) (D)ie frische (…) Seeluft wird die Arbeit erleichtern. Dazu kommt meine angeborene Liebe zur Natur und die Lust zum Schaffen. (…) Nimm für heute die Gewißheit, daß es mir gut geht.“

Ebd., hier S. 108.

Häftlingsgesellschaft

Solidarität

„Elemente (…), die wegen Landstreicherei und unverbesserlicher Trunksucht ins Konzentrationslager eingeliefert worden waren. Von einem Bettler (…) kann man keine politische Solidarität erwarten. (…) solche lumpenproletarischen Elemente (…), die vom Hitlerregime mit der Absicht dorthin (in die Konzentrationslager, d. Vf.) gebracht worden waren, die gemeinsame Front (von Kommunisten und Sozialdemokraten, d. Vf.) zu brechen“.

Anonymus, Als sozialdemokratischer Arbeiter im Konzentrationslager Papenburg, Moskau 1935, S. 38f.

„(I)hre Schläge waren auf einen Granitblock gefallen, der sich nicht erschüttern ließ: auf den Block unserer Kampfsolidarität, unserer Selbstdisziplin.“

Ebd., S. 50.

„(D)as starke Band der proletarischen Solidarität (…) (war) in dem gemeinsamen Leid und in dem gemeinsamen Kampf unzerreißbar geworden (…).“

Ebd., S. 68f.

Börgermoor, Bredel, Brecht

Quellen und weiterführende Literatur

Anonymus (1934): Die SS-Meuterei von Börgermoor, in: Gegen-Angriff 2 (1934), Nr. 15 (14.4.1934).

Anonymus (1935): Als sozialdemokratischer Arbeiter im Konzentrationslager Papenburg, Moskau 1935.

Eggerath, Hanna (2010): „Deine Kraft mußt Du behalten. Briefe eines jungen Paares zwischen Gefängnis und Konzentrationslager 1933, Düsseldorf 2010.

Hirsch, Werner (1934a): Sozialdemokratische und kommunistische Arbeiter im Konzentrationslager, Straßburg 1934.

Hirsch, Werner (1934b): Hinter Stacheldraht und Gitter. Erlebnisse und Erfahrungen in den Konzentrationslagern und Gefängnissen Hitlerdeutschlands, Zürich.

Morawiecz, Arkadiusz (2017): Polish Literature and the Konzentrationslager. The beginning, in: Acta Universitas Lodziensis 44, S. 23-48.

Schmidt, Bernhard, Johann Esser, in: Internetportal Rheinische Geschichte (https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johann-esser-/DE-2086/lido/57c6a5f87818e7.53796429)

Weber, Christiane (2019): Als sozialdemokratischer Arbeiter im KZ Papenburg (https://www.fruehe-texte-holocaustliteratur.de/wiki/Als_sozialdemokratischer_Arbeiter_im_Konzentrationslager_Papenburg_(1935))

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